bauWERK SCHWARZWALD und regionale Baukultur

Photo by Markus Spiske on Unsplash
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Was würden Sie antworten, wenn ein Reporter Sie fragen würde, was den Schwarzwald weltweit so bekannt macht? Haben Sie es erraten? – Richtig: es ist die Schwarzwälder Kirschtorte – auch bekannt unter dem Namen Black Forest Gateau.

Der Schwarzwald ist mehr als ein Gebäck

Aber der Schwarzwald ist natürlich viel mehr als ein Gebäck. Neben den Klischees, die von der eben erwähnten Torte über den Bollenhut bis zur Kuckucksuhr reichen und die ebenfalls weltbekannt sind, ist der Schwarzwald eine Region, die mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Geographisch ist der Schwarzwald mit dem Wechsel zwischen Naturlandschaft und bäuerlicher Kulturlandschaft das größte Mittelgebirge in Deutschland mit einer wunderbaren Tal- und Berglandschaft mit nahezu intakter Natur. Das ist ein Pfund, mit dem es sich wuchern lässt und so zeigen die touristischen Werbebroschüren auch immer die schönen Landschaft s- und Naturimpressionen, um Besucher für die Region zu interessieren. Wandern und Radfahren im Sommer und die Wintersportarten im Schnee sind die großen Werbethemen. Denn der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der etwa 500 000 direkte und indirekte Arbeitsplätze bietet und bei dem knapp 5,5 Mrd. Euro jährlich (Stand 2017) umgesetzt werden. Daneben dominiert die ländliche Struktur mit Agrar- und Holzwirtschaft. Es existieren noch vorhandene traditionelle Handwerkstechniken, die andernorts bereits ausgestorben sind. Dazu kommt eine gewachsene Baukultur, die durch ihre aus den klimatischen Bedingungen entstandene Bauweise landschaftsprägend ist.

Die strukturschwache Seite des Schwarzwaldes

Auf der anderen Seite ist die Region strukturschwach, viele Bewohner finden keine Arbeit in ihren Wohnorten und Freizeiteinrichtungen sowie der Nahverkehr mit guten Anbindungen beschränkt sich überwiegend auf die touristischen Zentren. So schrumpfen viele Gemeinden und verlieren noch weiter an Attraktivität für die Bewohner, indem der Dorfgasthof – das Zentrum für Kommunikation und Austausch im Ort – schließt und der Dorfladen nur überleben kann, wenn er als Nebenerwerb betrieben wird. Die Naturparks Südschwarzwald und Schwarzwald Mitte/Nord wurden 1999 und 2003 gegründet, um für die besondere Situation des Schwarzwalds zu arbeiten und sich für die Fortentwicklung der Region einzusetzen. Schon lange existierte darüber hinaus die Forderung nach einem Zentrum im Schwarzwald, das alle Akteure der Region an einen Tisch bringt und das dazu dient, alle Belange des Schwarzwalds und seiner Bewohner nach zu verfolgen und das sich um die Weiterentwicklung der Region kümmert. Nun ist es soweit: als treibende Kraft hat es der Naturpark Südschwarzwald mit seinem Geschäftsführer Roland Schöttle erreicht, dass zwischen April 2018 und Februar 2019 von einer Projektgruppe ein Gründungskonzept erarbeitet werden konnte für das Kompetenzzentrum »bauWERK SCHWARZWALD «. Dieses beinhaltet Empfehlungen zu Inhalten, Struktur, rechtlichem Aufbau und erste Finanzplanungen des Zentrums. Übergeben wurde das Konzept am 21. März 2019 an den Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk MdL.

Das Kompetenzzentrum bauWERK SCHWARZWALD

Die Mitglieder der Projektgruppe setzen sich zusammen aus Vertretern der Bereiche Architektur, Handwerk, Design, Regionalentwicklung, Tourismus, Bildung und Kultur. Aus dieser Vielfalt wurde gemeinsam die Leitidee entwickelt, die vorhandene, regionale Bau- und Handwerkskultur zu fördern und in die Zukunft weiterzuentwickeln. Das Kompetenzzentrum soll ein Dach bilden und mit der Verbindung von Tradition und Moderne, von Forschung und Ausbildung und Experiment und Praxis die verschiedenen Facetten des Schwarzwaldes unter einen Hut bringen. Aus dieser Leitidee entstanden zwei Handlungsfelder – der Bereich Baukultur und der Bereich Handwerk & Design. Die Aufgaben in den Feldern sind das Sammeln von altem und neuem Wissen, die Erforschung der besonderen schwarzwaldspezifischen Baukultur, die Beratung zu zukunftsweisenden Gestaltung, die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit – vor allem der Bewohner des Schwarzwaldes – um auf die Vorteile von regionalem Handwerk und regionaler Baukultur hinzuweisen. Das Bewusstsein zu wecken für die besonderen Möglichkeiten des Schwarzwaldes und das Interesse zu wach zu halten, selber an der Gestaltung mitzuwirken ist ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit. Ein wesentlicher Grundgedanke ist die Kooperation mit Kammern, Verbänden, Organisationen und Einzelinitiativen, so dass Synergieeffekte die gemeinsamen Ziele befördern und so die Zukunft gestaltet werden kann.

Baukultur in Baden-Württemberg ist auf dem Vormarsch

Im Handlungsfeld Baukultur tut sich bereits seit 2010 einiges. Aufgrund einer Idee des damaligen Regierungspräsidenten, Julian Würtenberger, führte die Architektenkammer BW, Kammerbezirk Südbaden, zusammen mit dem Regierungspräsidium ein erstes Auszeichnungsverfahren »Baukultur Schwarzwald« durch. Dabei wurden erstmalig Beispiele aufgespürt, bei denen die traditionellen Gestaltungs- und Bauweisen des Schwarzwaldes in eine moderne Sprache überführt wurden oder auch tradierte Konstruktionstechniken mit dem Blick in die Zukunft wieder eingeführt wurden. Für die Auswahl dieser Beispiele sind vor allem vier Kriterien entscheidend; dies sind eine funktionsbegründete Gestalt, ausgehend vom Ort, der Einbindung in die Umgebung und der Nutzungsart, Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit bei allen baulichen Aspekten, der Einsatz regionaler Ressourcen, heimischer Materialien und örtlicher Handwerksweisen sowie die Schaffung eines Umfeldes für ein Zusammenleben, in dem Gemeinschaft und Verwurzelung entsteht. Dabei geht es nicht nur um den Neubau, sondern auch um Umnutzungen und Umbauten von Bestandsgebäuden, die dabei helfen können, ein Gegengewicht zur zunehmenden Gleichförmigkeit der Alltagsarchitektur und der Ortsbilder zu schaffen. So können historische Gebäude gleichzeitig ihren baulichen Charakter bewahren und trotzdem Wege in die Zukunft aufzeigen. Das starke Interesse und die große Beteiligung zeigte, dass mit diesem Verfahren ein wichtiger Nerv getroffen wurde und dass ein Bedürfnis besteht, sich mit regionaler Baukultur auseinanderzusetzen. Im Jahr 2016 wurde das Auszeichnungsverfahren erneut durchgeführt und es zeigte sich, dass sich in der Zwischenzeit die Grundideen zum regionalen Bauen weiterverbreitet hatten und das Neue Bauen im Schwarzwald Fuß gefasst hat. Insgesamt wurden 92 Arbeiten eingereicht, von denen 20 Projekte ausgezeichnet wurden. Darüber hinaus entstanden seit 2010 neue Initiativen, Netzwerke und Kooperationen, bei denen sich viele im Schwarzwald tätige Institutionen in Projekten und unterschiedlichen Kontexten zusammenfanden und gemeinsam die Bedeutung von regionaler Architektur und Baukultur für die Identifikation mit dem Ort und für eine lebenswerte Umwelt beförderten.

Mitgliedschaft bei BauWERK SCHWARZWALD

Das Kompetenzzentrum bauWERK SCHWARZWALD wird zu einem wesentlichen Träger der Weiterentwicklung der regionalen Baukultur werden. Nach der Übergabe des Gründungskonzeptes an Minister Hauk finden nun Gespräche auf allen politischen Ebenen für eine Finanzierung des Zentrums statt. Unabhängig davon soll eine Gründungsversammlung Anfang 2020 die wesentlichen Schritte zur Gründung einleiten, sobald 50 Absichtserklärungen zur Mitgliedschaft vorliegen. Formulare dafür sind zu finden unter: www.bauwerk-schwarzwald.de

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Artikel aus der Zeitschrift „Denkmalsanierung 2019/2020“ von Dr. Diana Wiedemann