Sauerkrautplatten oder die Nachteile von Holzwolle-Leichtbauplatten

Bild von Holger Schwartz

Die Holzwolle-Leichtbauplatte – vulgär auch gerne „Sauerkrautplatte“ genannt – muss eine Erfindung des Teufels sein! Jedenfalls waren diese Platten ab den ca. 1920er Jahren als Putzträger sehr beliebt, weil sie einfach zu verarbeiten waren. Über den Abbruch hat sich da niemand Gedanken gemacht. Und wer sich nun fragt, was daran diabolisch ist, der sollte versuchen beim Abbrechen dieser Platten nicht zu fluchen.

Eine gefühlte Ewigkeit versuche ich das Brecheisen unter die Platte an der Decke zu stemmen. Schwer und schweißnass atmet es sich durch die Staubmaske, die Schutzbrille ist längst beschlagen, und die Sauerkrautplatte gibt dennoch fröhlich bröselnd nur Millimeter für Millimeter der Decke frei, um dann plötzlich – wie zum Hohn – mit einem lauten Knarzen von der Decke abzufallen. Der Staub von vielen Jahrzehnten ergießt sich wie ein Schwall über mich. „Selbst schuld, sich so eine alte Bude zu kaufen“, denke ich mir, während ich den Staub aus dem Haar schüttele.

Doch dann geht der Blick zur Decke. Noch vom Staub blinzelnd erkenne ich zaghaft, was zum Vorschein kommt. Die naturgewachsenen Eichenbalken der Kückendecke sind unversehrt, dazwischen ist eine Decke aus Lehmverstrich. Alles ist pechschwarz gefärbt, der Ruß aus über zwei Jahrhunderten hat sich auf den Balken und der Decke abgesetzt.

Und plötzlich fängt das Haus an mit mir zu sprechen, erzählt mir, wie früher auf dem offenen Ofen gekocht wurde, wie der Speck im Rauch hing oder wie mühsam es war, eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Irgendwie habe ich das Gefühl, das die Deckenbalken froh sind, diese Geschichte wieder erzählen zu können – ich streife die Staubmaske ab und höre noch ein bisschen zu…

Infobox Holzwolle-Leichtbauplatte

Die Holzwolle-Leichtbauplatte (HWL-Platte) wurde 1907 in Österreich entwickelt und seit 1914 unter dem Namen Heraklith vertrieben. Ab den 1920er Jahren wurden die Platten verbreitet verwendet, insbesondere als Isolation und Putzträger. Den Höhepunkt der Verwendung fand das Material beim Wiederaufbau in den 1950er und 1960er Jahren. Noch heute werden diese Platten produziert und finden vor allem als Dämm- und Akustik-Platten Anwendung.

Beim Abbruch sind diese Platten (abgesehen von einer gewissen Störrigkeit) recht unproblematisch. Oft wird vermutet, dass diese Platten Asbest enthalten. Hier kann jedoch Entwarnung gegeben werden, Asbest wurde bei der Produktion dieser Platten nie verwendet. Somit ist die Entsorgung als normaler Baumischabfall unproblematisch.

Kritischer sind die Stäube beim Abbruch. Diese sind über die Jahrhunderte nicht selten mit Schwermetallen belastet. Hier kann eine Untersuchung im Vorfeld Aufschluss geben. Eine gute persönliche Schutzausrüstüng (Partikelschutzmaske mit P2-Filter, Augenschutz) ist auf jeden Fall Pflicht.

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Artikel aus der Zeitschrift „Denkmalsanierung 2019/2020“ von Dr. Diana Wiedemann