Scheinhürde „Zusätzliche Bestätigung für sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz“

Erfahrungsbericht | Regensburg im September 2023

Dass wir bei der Sanierung unseres alten Hauses gleich zu Beginn und noch bevor es richtig losgeht, schon auf eine derart große Hürde treffen würden, hätten wir nicht erwartet. Mit großer Erleichterung konnten wir schließlich feststellen, dass es sich gewissermaßen um eine Scheinhürde handelte. Wie der Scheinriese bei Michael Ende wurde diese umso kleiner, je weiter wir uns ihr näherten, bis sie schließlich – in greifbarer Nähe – auf Augenhöhe und war und überwindbar wurde. Wie weit der Weg schlussendlich war, den wir dank wertvoller Unterstützung von verschiedenen Seiten hinter uns gebracht haben, ist dann aber doch erstaunlich. Aber der Reihe nach.

Im Mai diesen Jahres kauften wir ein altes, renovierungsbedürftiges Haus. Ein individueller Sanierungsfahrplan (iSFP) war gemeinsam mit unserem Energieberater relativ schnell erstellt. Weil wir das äußere Erscheinungsbild des Hauses erhalten wollten, dessen „Gestaltungselemente zitierend auf das regionaltypische Oberpfälzer Bänderhaus verweisen“ wie uns die Stellungahme eines hilfsbereiten Professors später verriet, stand fest, dass eine Außendämmung der Fassade nicht infrage kam. Auch bauphysikalische Gründe sprachen gegen eine Außendämmung. Ebenso bauphysikalische Gründe bedingten dann, dass wir maximal acht Zentimeter Innendämmung einplanen konnten, mit denen wir jedoch die geforderten Dämmstandards für eine BAFA-Einzelmaßnahmen-Förderung nicht erreichten. Darüber hinaus gab es statische Gründe für begrenzt mögliche Dämmstärken in Dach und oberster Geschossdecke.

Die Lösung lag auf der Hand: wir brauchten eine „zusätzliche Bestätigung“ der Gemeinde, dass unser Haus als „sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ i.S.v. § 105 Gebäudeenergiegesetz (GEG) einzustufen sei. Wie wir später erfuhren, trifft diese Einstufung Experten zufolge auf 25-30 Prozent des Gebäudebestandes in Deutschland zu.

Also: Formular aus dem Internet herunterladen, das die KfW extra zu diesem Zweck bereitstellt, ausfüllen und ab zur Gemeinde – zusammen mit einer Bestätigung des Energieberaters, dass dies für eine Förderfähigkeit durch das BAFA notwendig ist. Gesagt, getan und gedacht, dass es dann schnell geht.

Dem war nicht so. Der Gesetzgeber hat offensichtlich versäumt, neben dem für Fälle wie unseren hilfreichen Paragrafen eine entsprechende Verwaltungsvorschrift o.ä. zu erstellen. Die Gemeinde sah keine Entscheidungsgrundlage, aus der ihre Zuständigkeit für das Erteilen der Bestätigung klar hervorging. Tröstend nur das Wissen, dass wir nicht allein waren mit unserem Problem. Immerhin: die Gemeinde signalisierte Ihren Willen, uns zu unterstützen und verwies uns an die untere Denkmalschutzbehörde. Mit dieser in Kontakt getreten, wurde uns erklärt, auch sie sei nicht zuständig. Wenn, dann das Denkmalamt auf Landesebene aber besser, wir kontaktieren noch einen Wissenschaftler – Experte auf diesem Gebiet. Auch hier wurde konstruktiverweise ein Kontakt vermittelt.

So sprachen wir mit Prof. Dr.-Ing. Dietmar Kurapkat, Professor für Denkmalpflege und Bauforschung an der Fakultät Architektur der OTH Regensburg und dort Studiengangsleiter im Masterstudiengang Historische Bauforschung. Auch ihm ist diese Thematik nicht unbekannt. Voll Idealismus und mit Begeisterung „für die Sache“, den Erhalt historischer Bausubstanz, sagte er uns eine kurze Stellungnahme zu, mit der wir wieder mit der Gemeinde in Kontakt treten wollten.

All diese Prozesse benötigten Zeit – die Wochen verstrichen. So traten wir also mit dem Empfehlungsschreiben des Fachmanns wieder an die Gemeinde heran. Doch stellte sich heraus: es genügte noch nicht. Es müsse noch einmal das Landratsamt gefragt und außerdem die KfW eingebunden werden. Zusätzlich wurden weitere Ansprechpartner in der Verwaltung hinzugezogen. Nach dem Scheinriesen also jetzt Kafkas Prozess? Der Verzweiflung nahe also Internetrecherche: schnell stießen wir dort auf die Stiftung BauKulturerbe gGmbH aus Freiburg. Sie publiziert auf ihrer Homepage hilfreiche Informationen zu unserem Problem.

Die Gesellschafterin der Stiftung, Frau Dr. Wiedemann erklärt sich dankenswerterweise bereit, ihre Erfahrung und ihr Wissen zum Thema „sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ in einem Gespräch mit der Gemeinde einzubringen. Dieses Angebot wird dort zunächst abgelehnt, dann aber doch angenommen und so kommt es zu einem konstruktiven Austausch mit der Gemeinde, Frau Dr. Wiedemann von der Stiftung und uns als Bauherren.

Die Hauptfrage der Gemeinde, ob die Stellungnahme von Prof. Kurapkat Grundlage genug und ob die Gemeinde überhaupt zuständig für die Erteilung der Bestätigung sei, konnte Frau Dr. Wiedemann klar und deutlich mit ja beantworten. Es ist die Gemeinde, die zuständig ist und entscheiden muss. Die Gemeinde braucht für diese Entscheidung auch keine Satzung. Auch hat die Erteilung der Bestätigung für die Gemeinde keinerlei weitere Konsequenzen. Einzige Konsequenz ist, dass die Bauherren eine BAFA-Förderung auch mit (niedrigeren) Dämmstandards, wie im Denkmalschutz üblich, bekommen und damit eine sinnvolle energetische Sanierung ihres Bestandsgebäudes erst möglich wird. Die Bauherren haben auch keine sonstigen steuerlichen Vorteile wie das bei der Einstufung als Baudenkmal der Fall wäre.

Leider hat der Gesetzgeber bis jetzt versäumt, diesen Sachverhalt zum Beispiel durch eine Verwaltungsvorschrift so zu verschriftlichen, dass diese Unklarheit ausgeräumt und den Gemeinden eine Entscheidungsgrundlage an die Hand gegeben wird. So werden Sanierungsvorhaben wie das unsere immer wieder unnötig verzögert und Gemeinden mit diesem Problem im Stich gelassen.

Ende gut, alles gut – schlussendlich führte dieser Austausch dazu, dass wir die Bestätigung des Bürgermeisters erhalten haben, dass unser Gebäude als „sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ einzustufen ist. Damit können wir nun endlich die Sanierung angehen. Die Nerven und die Zeit, die uns die Angelegenheit gekostet haben, hätten wir auch an anderer Stelle gut gebrauchen können. Schön ist aber, welche Unterstützung wir erhalten haben: von den Fachleuten aber auch von der im Grunde wohlgesonnenen Gemeinde. Auch haben wir auf diesem Weg eine Menge über unser Haus dazugelernt.

Mit Dank

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Artikel aus der Zeitschrift „Denkmalsanierung 2019/2020“ von Dr. Diana Wiedemann