Klimaschutz und Baukultur

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Was glauben Sie, woran denken die meisten Menschen, wenn sie das Wort Baudenkmal hören? – Ja, Sie haben Recht: es sind die Schlösser, Burgen und Klöster, die meist mit diesem Begriff verbunden werden. Doch für die Energieberatung relevant sind die Wohn- und einfacheren Nutzgebäude, die einen Großteil der Denkmale ausmachen.

Ausnahmen bei energetischen Sanierungen im Denkmalschutz

In Deutschland hat der Denkmalschutz einen hohen Stellenwert – auch wenn es genügend Beispiele gibt von Gebäuden mit Denkmalstatus, die trotzdem abgerissen werden. Auch in den wichtigsten Gesetzen und Verordnungen, die sich mit Gebäuden befassen sind explizite Ausnahmen für Baudenkmale aufgeführt: Paragraph 24 der EnEV bei den Anforderungen an den Wärmeschutz bei Umbaumaßnahmen sowie die Ausnahmen bei der Verpflichtung zur Erstellung von Energieausweisen bei Verkauf und Vermietung sind vielen bekannt. Die meisten Denkmaleigentümer wissen inzwischen auch die Vorteile des Denkmalstatus zu schätzen. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Anzahl der Baudenkmale recht überschaubar ist – wir sprechen von rund 3,5 % oder etwa 700.000 Gebäuden des gesamten Gebäudebestands.

Sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz

Daneben gibt es allerdings die Gebäude, die als „sonstige besonders erhaltenswerte Bausubstanz“(kurz: beB) bezeichnet werden. Nach Schätzungen der Denkmalämter sind dies ca. 25 – 35 % aller Gebäude. Es handelt sich dabei um Gebäude, die nicht denkmalgeschützt sind, aber aufgrund ihres Alters, ihrer Gestaltung oder Konstruktion als besonders wertvoll für die Baukultur gelten.

Seit der Einführung des Förderprogramms KfW-Effizienzhaus Baudenkmal sind diese Gebäude verstärkt in den Fokus der Energieberatung gerückt. Die Anforderungen des Programms sahen bundesweit rund 50 Energieberater für eine gebäudeangepasste und denkmalgerechte energetische Sanierung vor. Mit dem tatsächlichen Interesse für dieses Programm hatte zunächst niemand gerechnet. Heute sind die Zahlen wieder leicht rückläufig, doch gibt es immer noch knapp 1200 Energieberater, die für Baudenkmale und sonstige erhaltenswerte Bausubstanz zugelassen sind.

Unter folgendem Link finden Sie die Datenbank für Energie-Experten:
https://www.energie-effizienz-experten.de/

Baukulturelle Aspekte werden bei energetischer Sanierung kaum berücksichtigt

Für historische Gebäude, die nicht unter den Denkmalschutz fallen, existiert keine mit der Denkmalliste vergleichbare Liste. Schätzungen gehen davon aus, dass die Anzahl der historischen Gebäude vor dem Baujahr 1918 die Anzahl der Baudenkmale um ein Vielfaches übersteigt. Rund 14 % aller Gebäude wurden bis zum Baujahr 1918 gebaut; zwischen 1919 und 1948 entstanden weitere 12 % des Gebäudebestands.

Aufgrund der fehlenden Vorgaben liegt es im Ermessen jedes Eigentümers, in welchem Umfang er Veränderungen am Gebäude vornimmt. Baukulturelle Aspekte werden dabei oft nicht berücksichtigt. Doch sind gerade diese Gebäude für die Region oder Stadt wichtige Bausteine der regionalen Identität und Baukultur. Übliche energetische Sanierungsmaßnahmen wie das Anbringen von Wärmedämmverbundsystemen führen zum Verlust ihrer architektonischen Besonderheiten. Dabei haben die Energieberater eine besonders hohe Verantwortung, da sie über die Möglichkeit und die Effizienz von Maßnahmen beraten.

Denkmäler gelten als energetisch nicht sanierbar

Nach wie vor ist die Meinung verbreitet, dass denkmalgeschützte Gebäude nicht energetisch sanierbar sind. Doch gilt auch für ein Denkmal der Grundsatz, dass nur die Nutzung für den Bestandserhalt sorgt. Damit werden heutige Anforderungen an Aufenthaltsqualität und Behaglichkeit ebenso an diese Gebäude gestellt. Mit der energetischen Ertüchtigung auch der denkmalgeschützten Gebäude trägt man den Anforderungen an eine moderne Gebäudenutzung Rechnung und leistet einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit vieler Denkmale. Allerdings sind bei diesen Gebäuden teilweise Sanierungsmethoden nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Diese besondere Betrachtung sollte auch für Gebäude mit besonders erhaltenswerter Bausubstanz gelten.

Energetische Vorteile von Altbauten werden häufig nicht berücksichtigt

Bei allen Energieberechnungen für Bestandsgebäude wird die energetische Qualität nur im Vergleich mit dem Neubau beurteilt. Die Vorteile von Altbauten wie große Wandstärken aus Bruch- oder Ziegelsteinen mit ihrer guten Speichermasse werden kaum berücksichtigt. Auch werden architektonische Stilelemente und baujahrstypische Details bei historischen, jedoch nicht denkmalgeschützten Gebäuden bei energetischen Sanierungen kaum beachtet und gehen dadurch für die Baukultur verloren. Nur mit einer geänderten Wahrnehmung des „architektonischen“ Wertes eines Gebäudes und seiner identitätsstiftenden Wirkung steigt das Bewusstsein für die städtische und regionale Baukultur.

Die politischen Klimaschutzziele haben also neben ihren positiven Aspekten für die Reduzierung des Energieverbrauchs und der CO2-Emmissionen auch weitreichende Folgen für den Gebäudebestand – die Baukultur.

Sorgsamer Umgang mit Bestandsgebäuden

Die wichtigste Regel im Umgang mit Baudenkmalen und erhaltenswerten Gebäuden besteht darin, nicht einfach nur Standarddämmmaßnahmen einzusetzen, sondern immer das konkrete Gebäude mit seinen Bauteilen im Blick zu halten. Dies macht die Arbeit des Energieberaters und Planers aufwändiger, weil jedes Bauteil einzeln betrachtet werden muss. Allerdings macht es diese auch spannender, weil damit gleichsam auch die Bauhistorie mit seinen unterschiedlichen Bauphasen erforscht wird. Um die Energieeinsparpotenziale eines Gebäudes abzuschätzen und im Vorfeld einer energetischen Sanierung eine Entscheidung zu treffen, gibt es seit Ende der 80er Jahre energetische Gebäudetypologien, die anhand von Gebäudeform, Größe und Baualter Auskunft über die möglichen Einsparungen bei Dämmmaßnahmen geben. Diese bilden allerdings alle Gebäude, die älter sind als Baujahr 1918, nur mit einer einzigen Baualtersklasse ab. Für denkmalgeschützte Gebäude gibt es überhaupt keine Typologie.

Energetische Gebäudetypologie für Altbauten

Die in Abbildung 2 dargestellte Gebäudetypologie wurde entwickelt, um hier Abhilfe zu schaffen und Energieberatern ein Werkzeug an die Hand zu geben. Damit können sie beurteilen, inwieweit ein Bestandsgebäude in die Kategorie sonstige erhaltenswerte Bausubstanz eingeordnet werden kann. Diese Einstufung ist immer eine Einzelfallprüfung und muss bei der Gemeinde bzw. der Stadtverwaltung beantragt werden. Bei den KfW-Förderprogrammen 151 und 152 bzw. deren Zuschussvarianten sind die entsprechenden Formulare hinterlegt.

Die entsprechenden Formulare finden Sie auf der Seite der KfW:

Weitere Infos finden Sie in unserem Praxisbericht Altbau.

Für die Typologie wurden die denkmalgeschützten und besonders erhaltenswerten Gebäude in Baualtersklassen unterteilt, die sich nicht nur an den energetischen Merkmalen, sondern vor allem an den Architekturstilen und den konstruktiven Kriterien orientieren.

Exemplarisch wurde bei einigen Gebäuden (diese sind mit roten Kreisen versehen) die Energieeinsparung bei energetischen Maßnahmen dargestellt – unter Berücksichtigung architektonischer Merkmale. Es wurden die Dämmschritte Wanddämmung (von innen und außen), Dämmung des Daches, Fenstertausch bzw. –ertüchtigung, Heizungstausch und Kellerdecken- bzw. Bodendämmung untersucht.

Gebäudetypologie von Dr. Diana Wiedemann

// Abb. 1: Gebäudetypologie für  Baudenkmale und besonders erhaltenswerte Bausubstanz

Energetische Sanierungsmaßnahmen im Altbau

Für alle berechneten Gebäude gilt, dass eine Wanddämmung von außen nicht empfohlen werden kann, da damit das architektonische Erscheinungsbild stark verändert wird. Eine Wanddämmung von Innen wird dann empfohlen, wenn die Wandstärken so dünn werden, dass die Reduzierung der Speichermasse durch die Innenwanddämmung kaum Auswirkungen hat. So beispielsweise bei Sichtfachwerk oder den im Schwarzwald zu findenden Blockbohlenwänden (Abb. 6).

Trotzdem werden mit der jeweilig empfohlenen Gesamtsanierung Einsparungen beim Endenergiebedarf erreicht, die zwischen 45 und 55% liegen. Je nach Energieträger zeigt sich natürlich die Einsparung beim Primärenergiebedarf sehr unterschiedlich. Vom Einsatz von Wärmepumpen kann jedoch durchgängig abgeraten werden, da diese Heiztechnik große Heizflächen wie Wand- oder Fußbodenheizungen voraussetzt, die im Bestand bei genutzten Gebäuden nur schwer nachzurüsten sind.

Geeignete Dämmungen im Altbau

Außer der bereits angesprochenen Problematik bei der Wanddämmung, eignen sich meist alle horizontalen Dämmmaßnahmen wie die Dämmung der obersten Geschossdecke und die Kellerdeckendämmung ohne Einschränkungen. Besonderes Augenmerk ist auf die Wahl der Baustoffe und dem materialgerechten Einsatz zu legen im Hinblick auf die denkmalgeschützte Bausubstanz.

Im Gegensatz zu üblichen energetischen Maßnahmen bei Bestandsbauten ist bei denkmalgeschützten – und auch bei den erhaltenswerten – Gebäuden eine Sanierung eher dem Substanzerhalt verpflichtet als der Anbringung von maximalen Dämmstoffstärken.

Beispiel 1: Späthistorisches Gebäude in Freiburg

So wurde bei dem späthistoristischen Gebäude der 1920er Jahre des Vereins „Badische Heimat“ in Freiburg (Abb. 3), bei der Sanierung des Daches von außen die vorhandene – bauzeitliche – Dämmschicht in Form eines Bimssteines belassen und eine weitere Dämmschicht addiert, um den Wärmedurchgang zu vermindern. Durch die geringe Erhöhung des Dachaufbaus mit Dämmung und der neuen Dachdeckung war es möglich, die gebäudeprägenden Teile wie Gesimse, Dachrinnen und die Anschlüsse an die Giebelseiten und die Fassaden intakt zu lassen.

Detailansicht
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// Abb. 2: Das Gebäude des Vereins „Badische Heimat“ nach der Sanierung von Dach, Fassade und Dachgeschoss

Beispiel 2: Denkmalgeschütztes Mühlengebäude

Bei dem denkmalgeschützten Mühlengebäude in Abbildung 5 konnte mit der Dämmung des Daches und dem Austausch der Fenster sowie einer Einblasdämmung in der Decke zwischen dem nicht beheizten Mühlensaal und den Wohngeschossen eine Reduzierung des Endenergiebedarfs von 54 % erreicht werden.

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// Abb. 3: Das denkmalgeschützte Mühlengebäude nach der energetischen Sanierung und dem Gebäudeumbau

Besonderheiten der Sanierungsplanung im Altbau

Da meist bei Baudenkmalen energetische Maßnahmen nicht an allen Bauteilen der Gebäudehülle oder nur eingeschränkt durchgeführt werden können, besteht die Besonderheit bei der Sanierungsplanung darin, dass neben dem Substanzerhalt genau darauf zu achten ist, welche Wärmebrücken durch die Dämmmaßnahmen entstehen können.

Vor allem eine Einzelmaßnahme Fensteraustausch ohne Leibungs- und Nischendämmung ist kritisch, weil die Gefahr von Schimmelbildung steigt, da die vorher bestehenden Undichtigkeiten und Leckagen behoben werden. So sind Wärmebrückenberechnungen und –überprüfungen im Baudenkmal noch viel  wichtiger als bei üblichen Sanierungen und sollten zum Standardprogramm für jeden Energieberater gehören.

Beispiel 3: Hofgebäude mit Holzbohlenwand (Schwarzwald)

Ein Gebäudetypus, der vor allem im Südschwarzwald zu finden ist, ist das Hofgebäude mit einer Holzbohlenwand. Diese Wand besteht aus ca. 6 cm starken Holzbohlen, die quer gelegt und von den Eckpfosten gehalten werden. Verbunden sind die Bohlen mit Nut und Federfräsungen. Abbildung 6 zeigt eine Aufnahme der Wand von innen.

Da die Tragkonstruktion außen sitzt, kommt bei einer energetischen Sanierung nur eine Innendämmung in Frage. Wichtig für die Ausführung ist vor allem, dass die Lücken in der Konstruktion ausgestopft werden, um weitere Schwachpunkte zu reduzieren. Die Bauweise verhindert eine luftdichte Konstruktion, deshalb ist in jedem Fall für die Abführung von anfallender Feuchtigkeit zu sorgen. Eine Besonderheit dieser Art des Holzbaus ist die sogenannte Schuppdiele, die in Abb. 6 sichtbar ist. Das Schwindverhalten von Holz führt dazu, dass bei der Trockung zwischen den Bodendielen Fugen entstehen. Um diese zu schließen, wird die konisch geschnittene Schuppdiele, regelmäßig weiter eingehauen.

Foto von Dr. Diana Wiedemann

// Abb. 4: Blockbohlenwand von außen mit Schuppdiele – Foto: Dr. Diana Wiedemann

Denkmalschutz und Baukultur sind vereinbar

Die Ausführungen zeigen deutlich, dass sich der Denkmalschutz – damit auch die Baukultur – und der Klimaschutz als vermeintliche Gegenspieler hervorragend vereinbaren lassen. Insgesamt sind die Baukultur und unsere gebaute Umwelt als Identifikationsträger sehr bedeutend. Nicht nur die denkmalgeschützten Gebäude – sondern alle erhaltenswerten Gebäude – zeigen unsere Baukultur und sollten „gebäudeangepasst“ saniert werden. Damit bleiben architektonische Merkmale und der jeweilige Baustil erhalten – auch bei energetischen Sanierungen. Die oben erwähnten Berechnungen und die Erfahrungen vieler Energieberater zeigen überdies, dass auch mit geringeren Dämmstärken und sorgsam auf das Gebäude abgestimmten Maßnahmen eine hohe Energieeinsparung zu erreichen ist.

Hinweis: Dieser Artikel erschien in dieser oder einer ähnlichen Fassung im
GEB 11-12/2019. Den Artikel finden Sie auch als PDF unter folgendem Link:
http://service.gentnerverlag.de/download/pdf/geb/Baudenkmal.pdf

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Artikel aus der Zeitschrift „Denkmalsanierung 2019/2020“ von Dr. Diana Wiedemann